Ilka Michos
Rechtsanwältin
Fachanwältin für
Verwaltungsrecht
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Eigentümer oder Erben eines Grundstücks mit einem verfallenden Gebäude, gelegentlich ein Baudenkmal, konnten sich vor Änderung des § 56 NBauO zum 1. Januar 2019 häufig einer Inanspruchnahme durch die Bauaufsichtsbehörde entziehen, indem sie das Eigentum an dem Grundstück aufgaben. Grenze war nur die Sittenwidrigkeit. Hatte der Verzicht ersichtlich das Ziel, sich den bauordnungsrechtlichen Pflichten zu entziehen und die damit verbundenen Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen, war die Eigentumsaufgabe im Verhältnis zur Bauaufsichtsbehörde unwirksam. Das liegt nahe, wenn die Eigentümer im Zeitpunkt des Verzichts um den desolaten Zustand des Gebäudes und die daraus resultierenden Gefahren wussten.
Der Gesetzgeber sah deshalb Handlungsbedarf, um den sog. Schrottimmobilien besser Herr zu werden. § 56 S. 4 Nds. Bauordnung (NBauO) erklärt seit 2019 § 7 Abs. 3 des Nds. Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) für anwendbar: Bei herrenlosen Grundstücken darf die Bauaufsicht jetzt auch den „verzichtenden“ Eigentümer in Anspruch nehmen. Auf eine evtl. Sittenwidrigkeit der Eigentumsaufgabe kommt es nicht mehr an.
Sogar Eigentümer, die ihr Eigentum schon vor 2019 aufgegeben haben, sind vor einer Inanspruchnahme nicht geschützt, wenn das Grundstück immer noch herrenlos ist. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschluss vom 03.05.2022 (1 ME 31/22) entschieden, dass die neue Vorschrift auch eine bereits vor Inkrafttreten der Norm erklärte Eigentumsaufgabe erfasse. Vertrauensschutz stehe dem nicht entgegen. Ein Grundstückseigentümer musste auch bisher schon damit rechnen, dass er nach einem Eigentumsverzicht wegen des Zustandes des Grundstückes in Anspruch genommen wird. Entsprechende Verantwortlichkeiten ergeben sich z. B. aus dem Bundesbodenschutzgesetz, dem allgemeinen Polizeirecht oder auch dem Zivilrecht gegenüber privaten Dritten.
Was bedeutet das in der Praxis? Ein Verzicht auf das Eigentum, um sich bauordnungsrechtlichen Verpflichtungen zu entziehen, ist nicht mehr möglich. Die Bauaufsichtsbehörden können jetzt auch einen früheren Grundstückseigentümer in Anspruch nehmen und so vermeiden, Gefahrenabwehrmaßnahmen insbesondere bei sog. Schrottimmobilien auf Kosten der Allgemeinheit vornehmen zu müssen.