Die vom Arbeitgeber einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist verlängert sich mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Nach der gesetzlichen Regelung soll die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegte Betriebszugehörigkeit hierbei jedoch nicht berücksichtigt werden (Kappungsgrenze des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB). Ähnliche Kappungsgrenzen finden sich in vielen Tarifverträgen.
In der Mandanteninformation Januar 2008 hatten wir Sie über die Tendenz in der Rechtsprechung informiert, solche Kappungsgrenzen als nicht gerechtfertigte, europarechtswidrige Benachteiligung wegen des Alters anzusehen und nicht mehr anzuwenden.
Der Europäische Gerichtshof (Entscheidung vom 19.01.2010, C-555/07) hat die Europarechtswidrigkeit der deutschen gesetzlichen Kappungsgrenze und aller vergleichbaren gesetzlichen und tariflichen Kappungsgrenzen bestätigt und entschieden:
1. Arbeitgeber müssen künftig bei der Berechnung der Kündigungsfristen auch die Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr berücksichtigen.
2. Die Arbeitsgerichte dürfen die gesetzliche Kappungsgrenze (ebenso wie vergleichbare tarifrechtliche Regelungen) nicht mehr anwenden.
Beim Ausspruch von Kündigungen ist deshalb zur Berechnung der Kündigungsfrist künftig die volle Beschäftigungsdauer unabhängig vom Lebensalter zugrunde zu legen.
Das Bundesarbeitsministerium hat angekündigt, eine Gesetzesänderung vorzubereiten, ohne sich bereits inhaltlich festzulegen.
Der Gesetzgeber wird entscheiden müssen, ob er die sich aufgrund der EuGH-Entscheidung ergebende Rechtslage hinnimmt (bloße Streichung der europarechtswidrigen Kappungsgrenze ohne Veränderung der Kündigungsfristen im Übrigen) oder aber die durch den Wegfall der Kappungsgrenze für die Arbeitgeber entstandene Mehrbelastung durch eine generelle Kürzung der Kündigungsfristen wieder ausgleicht.