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GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
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Auftragswerte der Fachplanungen zu addieren?

Vergaberecht - 07.02.2018

Der öffentliche Auftraggeber schrieb die stufenweise Beauftragung der Leistungen für die Tragwerksplanung für den Neubau des Verwaltungsgebäudes aus. In der Auftragsbekanntmachung gab er vor, dass die Planungsdisziplinen der Tragwerksplanung, der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und der Objektplanung lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert werden müssten.

Die Antragstellerin, eine Ingenieurgesellschaft für Tragswerksplanung rügte im Nachprüfungsverfahren verschiedene Vergaberechtsverstöße. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag als unzulässig, weil der Auftragswert der Tragwerksplanung den europäischen Schwellenwert nicht erreichte.

Das OLG München (Beschl. v. 13.03.2017 – Verg 15/16) hat auf die Beschwerde als erstes Obergericht entschieden, dass unterschiedliche Planungsleistungen für ein einheitliches Bauvorhaben grundsätzlich als gleichartige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV anzusehen sind. Sie sind deshalb für die Schwellenwertberechnung zu addieren.

Im Ausgangspunkt stellen Objektplanung, Tragwerksplanung und Planung der technischen Gebäudeausrüstung unterschiedliche Leistungsbilder dar. Diese aus der HOAI abgeleitete Auslegung blende die wirtschaftliche oder technische Funktion der Planungsleistung aus. Das OLG München meint, dass diese leistungsbezogene Betrachtung europarechtlichen Vorgaben widerspräche. Der funktionale Zusammenhang sei entscheidend. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs behandelt Bau- und Dienstleistungsaufträge bei der Berechnung des Auftragswertes grundsätzlich gleich. Eine Addition unterschiedlicher Planungsleistungen sei deshalb zwingend, wenn die Leistungen vorhabenbezogen in einem funktionalen Zusammenhang stehen.

Wenn sich diese Rechtsprechung etabliert, wird § 3 Abs. 7 S. 2 VgV obsolet werden. Alle Planungsleistungen größerer Vorhaben werden europaweit nach Maßgabe der Vergabeverordnung (VgV) auszuschreiben sein. Auftraggeber, die Zuwendungen für ihr Vorhaben erhalten, sollten vorsorglich bereits jetzt den sicheren Weg gehen und alle Planungsdiziplinen ausschreiben, um nicht später einen Widerruf des Förderbescheides zu riskieren.