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Baurecht: Unklarheiten in der Ausschreibung

News - 11.01.2013

Aufgrund öffentlicher Ausschreibung ist der Auftragnehmer (AN) verpflichtet, eine Bohrpfahlwand zu errichten und Brückenbauarbeiten auszuführen. Die Bohrpfahlarbeiten setzen die Entfernung einer Hochspannungsfreileitung voraus. Aus der Ausschreibung geht nicht eindeutig hervor, ob und für welchen Zeitraum der Auftraggeber (AG) diese entfernt. Da der AG die Hochspannungsfreileitung nicht entfernt, kann der AN für die Brückenbauarbeiten keinen Kran einsetzen und verlangt hierfür Mehrkosten.

 

Diese sprach ihm der BGH in der Entscheidung vom 12. September 2013 (Az.: VII ZR 227/11) zu. Nach der Auslegung der Ausschreibung habe der AN davon ausgehen dürfen, dass der AG die Hochspannungsfreileitung für die Bohrpfahlarbeiten entfernt. Mangels anders lautender Hinweise der Ausschreibung durfte er deshalb auch davon ausgehen, dass dieser Zustand während der Brückenbauarbeiten anhält, sodass er den Kran hätte einsetzen können. An dem Ergebnis der Auslegung der Ausschreibung ändert sich nichts dadurch, dass es der AN unterlassen hat, die Unklarheit der Ausschreibung durch Nachfragen in der Angebotsphase aufzuklären.

 

Aus dieser Entscheidung kann aber nicht abgeleitet werden, dass Unklarheiten in der Ausschreibung nie zu Lasten des AN oder immer zu Lasten des AG gingen. Vorrangig ist stets die Vertragsauslegung, wobei zur Ermittlung des Bausolls alle Vertrags- und Angebotsunterlagen zu berücksichtigen sind. Es ist nicht erforderlich, dass alle erforderlichen Angaben in der textlichen Leistungsbeschreibung enthalten sind. Wenn es nicht möglich ist, eine Unklarheit VOB/A-konform auszulegen, also trotz Auslegung eine Lücke verbleibt, erhält ein AN weder eine Vergütung noch Schadenersatz, sofern die Unklarheit für ihn eindeutig ersichtlich ist.

 

Es bleibt trotz dieser Entscheidung für den AN risikobehaftet, auf eine Lücke in der Ausschreibung zu spekulieren.