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Bezugnahme auf Tarifverträge: Wie weit reicht das Kontrollprivileg?

Arbeitsrecht - 31.07.2025

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 29. Januar 2025 (AZ. 4 AZR 83/24) die Reichweite des Kontrollprivilegs für arbeitsvertraglich in Bezug genommene tarifvertragliche Regelungen weiter konturiert.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Tarifverträge das Ergebnis eines fairen Aushandlungsprozesses zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und daher „ausgewogen“ sind. Deshalb müssen die Arbeitsgerichte die tariflichen Regelungen – anders als einzelvertragliche Regelungen - nicht im Rahmen einer AGB-Inhaltskontrolle überprüfen - und dürfen dies auch nicht (Kontrollprivileg).

Umstritten ist jedoch, ob das Kontrollprivileg auch dann greift, wenn im Arbeitsvertrag nicht das gesamte Tarifwerk in Bezug genommen wird, sondern nur einzelne Tarifverträge oder gar nur Teile von einzelnen Tarifverträgen.
Dazu hat nun das Bundesarbeitsgericht ein Urteil gefällt. Dieses gibt einen guten Überblick darüber, welche Anforderungen erfüllt bzw. gerade nicht erfüllt sein müssen, damit das Kontrollprivileg greift.

Erforderlich für das Eingreifen des Kontrollprivilegs ist grundsätzlich die vollständige Bezugnahme auf einen einschlägigen Tarifvertrag. Der Tarifvertrag ist einschlägig, wenn das Arbeitsverhältnis in seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich fällt.

Es gelten jedoch folgende Ausnahmen:

  • Bei außertariflichen Arbeitnehmern genügt die Eröffnung des räumlichen und fachlichen Geltungsbereichs.
  • Ausnahmsweise muss nicht der vollständige einschlägige Tarifvertrag in Bezug genommen werden und zwar, wenn nur Teile eines Tarifvertrages Regelungen für das betroffene Arbeitsverhältnis enthalten. Dann genügt die Bezugnahme auf diese Teile.
  • Unschädlich sind zudem abweichende arbeitsvertragliche Regelungen über Gegenstände, die tariflich nicht geregelt sind und deshalb keine verdrängende Wirkung entfalten sowie Vertragsbestimmungen, die zugunsten des Arbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen abweichen.

Nicht erforderlich ist die Bezugnahme auf ein gesamtes Tarifwerk (bspw. auf einen neben einem Manteltarifvertrag bestehenden Sanierungstarifvertrag).

Ob das Kontrollprivileg bereits bei einer Verweisung auf sachlich und inhaltlich zusammenhängende geschlossene Regelungsbereiche oder -komplexe eines Tarifvertrages gilt, hat das Bundesarbeitsgericht erneut offengelassen.

Wer als Arbeitgeber das Kontrollprivileg zu seinen Gunsten nutzen möchte, muss nicht nur bei der Bezugnahmeklausel, sondern auch bei den Regelungsgegenständen im Arbeitsvertrag selbst Acht geben. Enthält der Arbeitsvertrag auch nur eine einzige, im Vergleich zum in Bezug genommenen Tarifvertrag ungünstigere Regelung, dann gilt das Kontrollprivileg für den gesamten Tarifvertrag nicht mehr.