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GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
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Das Los entscheidet – Fortuna erteilt den Auftrag!

Vergaberecht - 30.07.2020

In einem Vergabeverfahren zur Lieferung von Streusalz sah die Vergabestelle neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien vor. Bei Punktgleichheit sollte die Zuschlagsentscheidung in einem vorab nicht näher definierten Losverfahren fallen. In einem der zu vergebenden Lose zwang Punktgleichheit zweier Bieter zur Anwendung des Losverfahrens. Dazu zog die Vergabestelle drei mit der Ausschreibung nicht befasste Mitarbeiter aus ihrem Justitiariat hinzu und legte sechs Loszettel in einen Losbehälter. Jeweils drei verschlossene Loszettel trugen den Namen des einen Bieters und den des anderen Bieters. Anschließend zog jeder der drei Mitarbeiter je einen Loszettel. Erst nachdem alle drei Lose gezogen waren, öffnete die Vergabestelle die Loszettel. Zwei der Lose enthielten den Namen des einen Bieters und eines den des anderen Bieters. Die Vergabestelle dokumentierte die Durchführung des Losverfahrens im Vergabevermerk.

Der Vergabesenat des OLG Hamburg (Beschluss vom 20.03.2020 – 1 Verg 1/19) hat diese Handhabung sanktioniert:

  • Die grundsätzliche Zulässigkeit des Losentscheids folge aus der Natur der Sache. Bei einem Punktgleichstand sei schlichtweg keine anderweitige Differenzierung möglich. Deshalb entspreche gerade der Losentscheid den vergaberechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz. 
  • Die Art und Weise, wie der Losentscheid durchgeführt wird, sei mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben der Vergabestelle überlassen. Die Durchführung müsse im Rahmen der allgemeinen Vergaberechtsgrundsätze für alle Teilnehmer am Losentscheid Chancengleichheit gewährleisten. Flankierend müsse ein hinreichender und den Umständen nach angemessener Schutz vor Manipulationen bestehen.
  • Die Vergabestelle muss in den Vergabeunterlagen bekannt machen, dass sie bei einer Gleichbewertung mehrerer Angebote das Los entscheiden lassen werde. Eine detaillierte Beschreibung des Verfahrens ist nicht erforderlich.
  • Trotzdem muss zur Verhinderung potenzieller Manipulation vor Beginn des Losentscheides sicher feststehen, wie der Losentscheid durchgeführt werden soll. Die Vergabestelle sollte daher im Vergabevermerk zweigestuft dokumentieren, 
    • wie der Losentscheid durchgeführt werden soll (vor Durchführung), und 
    • dessen tatsächliche Durchführung anhand dieser Vorgabe (bei bzw. nach Durchführung).

Die Entscheidung des OLG Hamburg ist nicht die Segelanleitung zur „Flucht in den Losentscheid“. Das Losverfahren bleibt letztes Mittel, wenn sich in Ausnahmefällen trotz ausdifferenzierter leistungsbezogener Zuschlagskriterien ein Punktegleichstand ergibt. Wenn doch dieser Grenzfall eintritt, kann es sich zur akkuraten Dokumentation empfehlen, einen Notar als neutralen Überwacher von Verfahren und Ergebnis um Protokollierung zu bitten.