Ulrich Conrady
Rechtsanwalt
Fachanwalt für
Arbeitsrecht
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Die jüngsten Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20.12.2022 zum Urlaubsrecht belegen: Nie war ein Urlaubshinweis so wertvoll wie heute.
1. Urlaubshinweis
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und ihm folgend des BAG obliegt es dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer „in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub zu nehmen“. Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitgeber einen Urlaubshinweis (zu den Details die untenstehende „Bastelanleitung“) zu erteilen hat.
2. Ohne Urlaubshinweis kein Verfall
Ohne Urlaubshinweis kann sich der Arbeitgeber weder auf gesetzliche noch (grundsätzlich) auf vertragliche Verfallfristen berufen. Nicht genommener Urlaub wird somit unendlich weiter in die Folgejahre übertragen.
Abweichendes gilt nur für den über den gesetzlichen Mindesturlaub (4 Wochen/Jahr) hinausgehenden Mehrurlaub, wenn für diesen eine eigenständige Verfallregelung getroffen wurde.
3. Ohne Urlaubshinweis kein Verjährungsbeginn
Das BAG geht davon aus, dass die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer der gesetzlichen Regelverjährung (3 Jahre ab Beginn des Folgejahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden/ fällig geworden ist) unterfallen.
Der EuGH hat die Möglichkeit der Verjährung von Urlaubsansprüchen bestätigt, jedoch klargestellt, dass eine Verjährung die Erteilung eines Urlaubshinweises erfordert.
In Umsetzung dieser europarechtlichen Vorgabe hat das BAG in dem Urteil vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) festgestellt, dass die Verjährung von Urlaubsansprüchen (in unionsrechtskonformer Auslegung von § 199 BGB) erst mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Urlaubshinweis erteilt hat.
Resümee
Die Verjährung von Urlaubsansprüchen spielt im laufenden Arbeitsverhältnis keine Rolle.
Nach Erteilung des Urlaubshinweises greifen auch die gesetzlichen (und vertraglichen), deutlich früher wirkenden Verfallregeln (§ 7 Abs. 3 BUrlG: Ende des Urlaubsjahres, ausnahmsweise 31.03. des Folgejahres). Der Urlaub muss nicht mehr verjähren, er ist (bzw. wäre) bereits weit vorher verfallen.
Die Verjährung spielt somit nur für die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung eine Rolle.
4. „Bastelanleitung“ für einen Urlaubshinweis
Dreh- und Angelpunkt zur Vermeidung von Urlaubsbergen ist somit die Erteilung eines (ordnungsgemäßen) Urlaubshinweises.
a) Formulierung
Der Urlaubshinweis kann wie folgt formuliert werden:
„Sehr geehrte Frau …, sehr geehrter Herr …,
für das laufende Kalenderjahr steht Ihnen noch ein Urlaubsanspruch von … Urlaubstagen und aus dem Vorjahr noch ein Resturlaubsanspruch von … Urlaubstagen zu.
Der Urlaub soll nach dem Willen des Gesetzgebers im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Wir bitten Sie deshalb und fordern Sie zugleich dazu auf, den Urlaub (einschließlich Resturlaub) so rechtzeitig zu beantragen, dass dieser noch im laufenden Kalenderjahr genommen werden kann.
Ihr Urlaub wird grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfallen, wenn Sie in der Lage waren, Ihren Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, Sie ihn aber nicht (rechtzeitig) beantragt haben.
… , den …
_____________
Arbeitgeber
Hiermit bestätige ich den Erhalt des vorstehenden Schreibens.
Braunschweig, den …
_____________
Arbeitnehmer“
Wichtig ist, dass der Urlaubshinweis individuell und konkret erfolgt und nicht pauschal. Ein allgemein gehaltener Urlaubshinweis ist ebenso unzureichend wie ein im Arbeitsvertrag enthaltener.
b) Empfangsbestätigung
Da der Arbeitgeber im Streitfall die Erteilung des Urlaubshinweises zu beweisen hat, muss der Arbeitnehmer dessen Empfang bestätigen. Hinweis und Empfangsbestätigung müssen zur Personalakte genommen/ gespeichert werden.
c) Zeitpunkt
Ein Urlaubshinweis sollte jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres erfolgen. Dies ist insbesondere auch für den Fall von Bedeutung, dass ein Arbeitnehmer im betreffenden Urlaubsjahr über einen langen Zeitraum erkrankt.
5. Schlussbemerkung
Das Urlaubsrecht ist sehr unübersichtlich geworden. Das BAG übt sich in einem sportlichen und schmerzhaften Spagat zwischen dem Wortlaut des Bundesurlaubsgesetzes einerseits und den – dem deutschen Recht oft fremden – Vorgaben des EuGH.