Marvin Schwope LL.M.
Rechtsanwalt
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Erbringt der Auftragnehmer Leistungen in geringerem Umfang, als im Leistungsverzeichnis vorgesehen, darf er auch nur in diesem Umfang abrechnen. Der Auftragnehmer hat deshalb bei einem Bauvertrag grundsätzlich nicht nur die Pflicht, sondern auch ein Recht darauf, seine Leistungen im vertraglich vereinbarten Umfang zu erbringen. Der potentielle Konflikt dabei: Der Auftragnehmer kann in der Regel den Inhalt des (vor Vertragsschluss erstellten) Leistungsverzeichnisses nicht beeinflussen und nur eingeschränkt überprüfen. Stellt sich während der Bauausführung heraus, dass der Auftraggeber die Mengen und Massen einzelner Positionen des Leistungsverzeichnisses zu hoch kalkuliert hat, verliert der Auftragnehmer mittelbar auch einen Teil seines Werklohnanspruchs.
Um das Vertrauen des Auftragnehmers in das Leistungsverzeichnis als Grundlage des Bauvertrags zu schützen, regelt § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B, dass bei einer „über 10 % hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen ist“.
In einem nun entschiedenen Fall (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.04.2024 - 23 U 86/23) hatten die Parteien weder die Geltung der VOB/B, noch eine sonstige Regelung zu Mengenminderungen vereinbart. Der Auftragnehmer vertrat dennoch die Auffassung, mit den angefallenen Mengenminderungen sei die Grundlage des Vertrags gestört und er habe einen Anspruch auf Vertragsanpassung.
Das OLG Frankfurt teilte diese Auffassung nicht! Ein Anspruch auf Vertragsanpassung setze voraus, dass die Parteien im Wissen um die tatsächlichen Mengen den Vertrag nicht oder nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätten und dass ein Festhalten am Vertrag für den Auftragnehmer unzumutbar wäre. Dies sei bei Mengenabweichungen lediglich einzelner Positionen des Leistungsverzeichnisses in der Regel nicht der Fall. Anders als die Mengenminderungsregel der VOB/B stelle der allgemeine zivilrechtliche Vertragsanpassungsanspruch des Auftragnehmers nicht auf einzelne Positionen, sondern auf den Vertrag als Ganzes ab.
Fazit: Sie sollten als Auftragnehmer für den Fall vorsorgen, dass sich die kalkulierten Mengen des Leistungsverzeichnisses im Nachhinein als falsch erweisen. Sie können sich dazu an der oben genannten Vorschrift der VOB/B orientieren oder die VOB/B direkt im Ganzen vereinbaren. Tun Sie dies nicht, tragen Sie nach den Regelungen des allgemeinen Zivilrechts ein höheres Kalkulationsrisiko!