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EuGH: Verbindliche Mindest- und Höchstsätze der HOAI unwirksam

Architekten- und Ingenieurrecht - 10.07.2019

Wie Sie vermutlich aus den Medien bereits vernommen haben, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 04.07.2019 (Az. C-377/17) das Urteil im HOAI-Vertragsverletzungsverfahren verkündet und entschieden, dass das Verbot, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI zu unter- beziehungsweise zu überschreiten, mit EU-Recht nicht vereinbar ist. 

Nachfolgend möchten wir Ihnen erläutern, welche Auswirkungen die Entscheidung für Sie in der Praxis hat:

Inhalt der Entscheidung:

Mit der obigen Feststellung ist die wesentliche Regelung der HOAI zur Honorarvereinbarung unwirksam. Die HOAI als solche hat der EuGH im Übrigen nicht beanstandet Weder die Leistungsbilder noch die Honorartabellen sind Gegenstand der Entscheidung. 

Die beklagte Bundesrepublik Deutschland hat nun die Verpflichtung, die HOAI so anzupassen, dass sie nicht mehr gegen die allgemeine Dienstleistungsfreiheit in der EU verstößt. In erster Linie muss § 7 HOAI geändert werden. Es bleibt abzuwarten, was nach einem sicherlich aufwendigen Gesetzgebungsverfahren von der HOAI übrigbleibt. 

Bis zur Umsetzung der Entscheidung haben die Gerichte Honorarklagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des EuGH zu entscheiden.

Für welche Fälle gilt die Entscheidung des EuGH?

Mit der Entscheidung des EuGH entfällt die Verbindlichkeit der Höchst- und Mindestsätze ab sofort und auch rückwirkend für laufende Vertragsverhältnisse und bereits anhängige Gerichtsverfahren. Eine Übergangsfrist enthält das Urteil nicht.

Es gibt keinen Vertrauensschutz der Vertragsparteien auf die bisherige Rechtslage. Die fehlende Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze gilt auch im Verhältnis zwischen zwei deutschen Vertragsparteien – ein Auslandsbezug ist also nicht erforderlich.

Welches Honorar ist nun zu zahlen?

Die bisher geschlossenen Verträge bleiben in vollem Umfang gültig. Dies gilt insbesondere für die Hauptleistungspflichten der Parteien.

Wenn und soweit die Parteien eine Honorarvereinbarung getroffen haben, gilt diese, so dass das vereinbarte Honorar zu zahlen ist.

Ist ein Honorar vereinbart worden, welches die Mindestsätze der HOAI unterschreitet, kann sich der Architekt/Ingenieur als Auftragnehmer nachträglich nicht mehr auf das Mindestsatzhonorar berufen. Er muss sich mit dem vereinbarten Honorar begnügen.

Umgekehrt wird sich der Auftraggeber nicht mehr auf eine Höchstsatzüberschreitung berufen und damit keine Reduzierung des vereinbarten Honorars erreichen können.

Für die Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung geltend darüber hinaus die allgemeinen rechtlichen Grundsätze, so dass nach oben und nach unten die Grenze der Sittenwidrigkeit  / Wucher eingehalten werden muss.

Ohne Honorarvereinbarung kann der Auftragnehmer ab jetzt nur den sogenannten „ortsüblichen Preis“ gemäß §§ 650q Abs. 1, 632 Abs. 2 BGB verlangen.

Dies könnte noch der Mindestsatz der HOAI sein, wenn er für die entsprechenden Planungsleistungen der ortsübliche Preis ist. Im Rechtsstreit muss dies durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen werden. Ob bei den Sachverständigen ausreichende empirische Erkenntnisse vorliegen, wie üblicherweise und vor allem in den unterschiedlichen Planungsdisziplinen die Marktpreise waren, ist zweifelhaft. Damit hat ein Rechtsstreit mit der Notwendigkeit einer solchen Begutachtung Lotteriecharakter.

Was sollten Sie zukünftig beim Abschluss eines Planervertrages beachten?

Schließen Sie frühzeitig schriftliche Verträge ab, in denen die Vergütungshöhe eindeutig geregelt ist. Hierbei können Sie sich auch weiterhin an den Berechnungsgrundsätzen der HOAI orientieren, um zum Beispiel Teilleistungen zu beschreiben und zu bepreisen.

Wir empfehlen bis zur abschließenden Klärung aber das zu vereinbarende Honorar auszurechnen und auszuweisen, weil die abstrakte Verweisung auf „HOAI“ und deren Mindest- bis Höchstsätzen unklar sein könnte.

Auch für Auftraggeber ist dies zu empfehlen. Nur so lassen sich unangenehme Überraschungen und wirtschaftliche Wagnisse durch eine gerichtlich angeordnete Preisbestimmung mit Hilfe von Sachverständigen vermeiden.

Sprechen Sie uns deshalb im Bedarfsfall bitte an!

Mindestsatzunterschreitung und Vergabeverfahren

Bisher galt, dass mindestsatzunterschreitende Honorarangebote im öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren unzulässig waren. Vergabestellen mussten daher bei Vermutung einer Mindestsatzunterschreitung eine weitere Angebotsaufklärung vornehmen. Ein mindestsatzunterschreitendes Angebot war vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Da der EuGH festgestellt hat, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 5 HOAI keine Geltung mehr beanspruchen kann, ist ab jetzt eine Unterschreitung des Mindestsatzes allein kein Grund mehr für die Unzulässigkeit des Honorarangebots im Vergabeverfahren über Architektenleistungen nach VgV.