News

GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Telefon: +49 (0) 531 28 20-605
Telefax: +49 (0) 531 28 20-695
gulich@appelhagen.de

Festlegung eines maximalen Störstoffgehalts für die Ausschreibung der Verwertung von Bioabfällen?

Vergaberecht - 04.11.2020

Die Vergabestelle schrieb die Verwertung von jährlich ca. 4.600 Mg Bioabfall aus haushaltsnaher Sammlung aus. Die Vergabestelle hatte keine Aussage zur Qualität des zu verwertenden Bioabfalls getroffen. Den Vergabeunterlagen war stattdessen eine aktuelle Sortieranalyse des Bioabfalls beigefügt. Außerdem grenzte die Leistungsbeschreibung „übliche Fehlwürfe“ (z. B. Folientüten, Dosen, Büchsen, Flaschen, Gläser, Blumentöpfe und Windeln) als nicht vertragswidrig von „unüblichen Fehlwürfen“ ab. „Unüblich“ waren danach Fehlwürfe, die in Missbrauchsabsicht in die Biotonnen gegeben werden und die Verwertung der gesamten verunreinigten Charge ausschließen. Chargen mit „üblichen“ Fehlwürfen sollte der Auftragnehmer nicht zurückweisen können. 

Noch vor Submission rügte ein Bieter diese Störstoffregelung. Er forderte die Festlegung einer Obergrenze für Störstoffe in Höhe von maximal 2 %. 

Die Vergabekammer Rheinland-Pfalz hat die monierten Störstoffregelungen mit ihrem Beschluss vom 11.09.2020 (AZ.: VK1-23/20) sanktioniert:

  • Sie stellen keinen Verstoß gegen das Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung dar. Die Definition der „üblichen Störstoffe“ steht nicht im Widerspruch zur Bioabfallverordnung oder der Abfallwirtschaftssatzung. Die Definition nicht vertragswidriger „üblicher Fehlwürfe“ ist keine Legalisierung von Störstoffen, sondern schafft erkennbar eine Risikoverteilung im Rahmen der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit der Vergabestelle. 
  • Fachunternehmen seien selbst dann in der Lage, die Qualität von Abfällen einzuschätzen, wenn gar keine Informationen über den Störstoffgehalt bekannt sind. 
  • Die Bieterin müsse als anerkanntes Fachunternehmen die Kosten für die Behandlung der „nicht vertragswidrigen“ Störstoffe kalkulieren können. Außerdem sei ihr die Qualität der Bioabfälle durch die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Ergebnisse einer Sortieranalyse bekannt.

Für die Praxis von Abfallausschreibungen gilt danach: Die Vergabestelle verfährt sachgerecht, wenn sie keine Obergrenzen für Störstoffe garantiert, den Bietern dafür aber maximale Transparenz durch Offenlegung der Ergebnisse einer Sortieranalyse gewährt. Dann legt sie den Bietern kein unzumutbares (nicht kalkulierbares) Risiko auf.