News

ConradyUlrich Conrady
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Telefon: +49 (0) 531 28 20-554
Telefax: +49 (0) 531 28 20-425
conrady@appelhagen.de

Fremdgeschäftsführer - die „etwas anderen“ Arbeitnehmer?

Arbeitsrecht - 07.10.2015

„GmbH-Geschäftsführer gehören als gesetzliche Vertreter der Gesellschaft zum Arbeitgeberlager und sind keine Arbeitnehmer!“

Diese bis vor wenigen Jahren im deutschen Arbeitsrecht unumstrittene Aussage gilt für Fremdgeschäftsführer nicht mehr, soweit es um den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff geht.

Bereits vor einigen Jahren hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Beispiel einer schwangeren Fremdgeschäftsführerin entschieden, dass sich Fremdgeschäftsführerinnen auf die EU-Richtlinie zum Mutterschutz bzw. die diese Richtlinie umsetzenden nationalen Gesetze berufen können (Fall Danosa, AZ: C-232/09). Die Fremdgeschäftsführerin einer deutschen GmbH genießt somit Kündigungsschutz gemäß § 9 MutterschutzG.

Nun ist der EuGH (Urteil vom 09.07.2015, Fall Balkaya, Az.: C-229/14) noch einen Schritt weiter gegangen. Er hat entschieden, dass Fremdgeschäftsführer auch bei den Schwellenwerten für die Massenentlassung (§ 17 KSchG) mitzuzählen sind. Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob ein Unternehmen mit 19 regulären Arbeitnehmern, einer von der Bundesagentur bezahlten Umschülerin und einem Fremdgeschäftsführer regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Fremdgeschäftsführer hätte sich, so der EuGH, selbst mitzählen müssen. Da auch die Umschülerin als Arbeitnehmerin im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie anzusehen sei, hätte eine Massenentlassungsanzeige erfolgen müssen. Die Kündigung war unwirksam.

Fremdgeschäftsführer sind somit trotz ihrer exponierten Stellung als Organvertreter (= Hand und Kopf des Arbeitgebers) europarechtlich nur die „etwas anderen“ Arbeitnehmer. Sollte bei einer Massenentlassung auch einem Fremdgeschäftsführer gekündigt werden, ist dieser nicht nur bei den Schwellenwerten mitzuzählen. Er ist auch in der Massenentlassungsanzeige als Arbeitnehmer zu benennen. Andernfalls ist seine Kündigung unwirksam.