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UllrichDr. Steffen Ullrich
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Haftungsmaßstab für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge

Sozialversicherungsrecht - 05.02.2020

Arbeitgeber müssen für ihre Arbeitnehmer Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung über die zuständige Einzugsstelle termingerecht abführen. Sie haften bei pflichtwidrigem Unterlassen aufs Ganze, wobei Nachzahlungen weit in die Vergangenheit reichen können.

Häufig ist es allerdings schwierig zu erkennen, ob eine sozialversicherungspflichtige Arbeitgebereigenschaft oder eine sozialversicherungsfreie Beauftragung eines Selbständigen vorliegt. Der Beurteilung, die aufgrund einer Vielzahl von Kriterien erfolgt (z. B. Eingliederung in den Betrieb, Direktionsrecht bezüglich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung), liegt i.d.R. eine komplexe Wertung zugrunde. Die Ergebnisse sind nicht immer sicher vorauszusehen, da die Kriterien im Einzelfall unterschiedliches Gewicht haben können. Es ist Aufgabe des potentiellen Arbeitgebers/Auftraggebers, sich mit diesen Fragestellungen auseinanderzusetzen oder sich beraten zu lassen.

Bei falscher Beurteilung drohen neben strafrechtlichen Konsequenzen hohe Nachzahlungen für die Vergangenheit. Der BGH hat sich jüngst mit der Haftung für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge auseinandergesetzt und seine Rechtsprechung geändert (BGH, Beschluss vom 24.09.2019 - 1 StR 346/18 -). Vorsätzliches Handeln ist danach bei pflichtwidrig unterlassenem Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen nur dann anzunehmen, wenn „der Täter auch die außerstrafrechtlichen Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts - zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre - nachvollzogen hat. Er muss seine Stellung als Arbeitgeber und die daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungsverpflichtung zumindest für möglich gehalten und deren Verletzung billigend in Kauf genommen haben." Anders als bisher soll der Irrtum hierüber bereits die tatbestandliche Pflichtwidrigkeit entfallen lassen.

Der positive Schein der neuen Rechtsprechung trügt! Sie führt nicht dazu, dass die Haftung für potentielle Arbeitgeber aufgehoben wird. Auch zukünftig werden für die Vergangenheit Beiträge zur Sozialversicherung verzinst nachberechnet und dem Arbeitgeber vollständig in Rechnung gestellt, sofern sich nachträglich herausstellt, dass entgegen erster Annahmen eine Arbeitgeberstellung vorlag. Allenfalls das zeitliche Ausmaß der Haftung lässt sich bei Wegfall des Vorsatzes begrenzen.