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MeyerGunnar Meyer
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„Hier gilt die StVO!“… aber deshalb auch die Versammlungsfreiheit?

Gefahrenabwehrrecht - 06.06.2024

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. So klar heißt es in Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes. Über das europarechtliche Diskriminierungsverbot schützt die Versammlungsfreiheit des Grundgesetzes auch alle EU-Bürger.

Doch angenommen, die Versammlung soll auf einem privaten Betriebsparklatz stattfinden, um gegen das Geschäftsmodell des Betriebes zu protestieren. Darf die Versammlungsbehörde die Verlegung des Versammlungsortes anordnen, wenn der Betrieb die Versammlung auf seinem Grundstück nicht wünscht?

Das Nds. Oberverwaltungsgericht (OVG) sagte mit Beschluss vom 30.08.2023 (10 LA 3/23): Es komme darauf an. In dem konkreten Fall: Ja.

Grundsätzlich dürfen Versammlungsteilnehmer den Ort ihrer Versammlung selbst bestimmen. Hierfür kommen nicht lediglich öffentlich gewidmete Straßen, Wege und Plätze in Frage. Auch auf den Privatgrundstücken Dritter können Versammlungen stattfinden. Dann ist ein schonender Ausgleich mit den Interessen des privaten Grundstückeigentümers zu finden. Das Versammlungsgrundrecht ist nicht das „Sesam, öffne dich!“ zu Nachbars Badelandschaft.

Eine Abwägung zugunsten der Versammlungsfreiheit kann sich bei sog. öffentlichen Foren ergeben. Öffentliche Foren stehen zwar auf privatem Grund und sind nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet, trotzdem dienen sie dem Flanieren, der Zusammenkunft von Menschen und deren Kommunikation. Beispiele sind Einkaufszentren oder Ladenpassagen mit Cafés, Friseuren, Geschäften und Restaurants.

Das Nds. OVG entschied, dass der konkrete Betriebsparkplatz kein öffentliches Forum sei. Der Betriebsparkplatz diene nicht einer Vielzahl verschiedener Tätigkeiten und Anliegen, sondern lediglich als Stellplatzfläche für die Kfz der Beschäftigten. Daran ändere auch die Größe des Betriebes nichts. Ausschlaggebend sei der Wille des Unternehmens, den Mitarbeiterparklatz nur einem bestimmten Personenkreis zu öffnen. Das gelte selbst dann, wenn dieser Personenkreis 15.000 Beschäftigte umfasse. Durch Absperrvorrichtungen gegen unbefugtes Parken gebe der Betrieb den Parkplatz gerade nicht zur faktischen Nutzung durch die Öffentlichkeit frei. Sogar das Schild „Hier gilt die StVO!“ markiere den Betriebsparkplatz nicht als öffentliches Forum. Das Schild solle der StVO lediglich Geltung verschaffen, die sie auf einem Privatgrundstück sonst nicht hätte.

Den schonenden Ausgleich sah das Nds. OVG im konkreten Fall in der Verlegung des Versammlungsortes auf einen nahegelegenen Gehweg. Der örtliche Bezug zum Unternehmen, gegen das sich die Versammlung richtete, bleibe erhalten. Ein allgemein zugänglicher Gehweg schneide die Versammlung nicht von der öffentlichen Wahrnehmung ab.