Dr. Joachim Gulich LL.M.
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Ein öffentlicher Auftraggeber hatte in einem europaweiten Verhandlungsverfahren unterschiedliche Planungsleistungen ausgeschrieben. Die Vergabestelle hatte in den Vergabeunterlagen vorgegeben, dass die Vergütung für Leistungen, die in Leistungsbildern der HOAI erfasst sind, nach Maßgabe der HOAI zu kalkulieren und anzubieten war.
Das Verfahren war vor dem 4. Juli 2019 – und damit vor dem EuGH-Urteil zur teilweisen EU-Rechtswidrigkeit der HOAI – weitestgehend abgeschlossen. Lediglich die finale Wertung und die Information der nicht berücksichtigten Bieter standen aus.
In einem anschließenden Nachprüfungsverfahren gegen die finale Wertung, dessen zentraler Ansatz nicht die preisrechtliche Wertung war, griff die Vergabekammer des Bundes von Amts wegen diese Vorgaben zur Kalkulation auf Basis der HOAI auf. Sie verwarf diese Vorgabe als vergaberechtswidrig (VK Bund, Beschl. v. 30.08.2019 – VK 2-60/19).
Seit dem EuGH-Urteil vom 4. Juli 2019 ergebe sich für öffentliche Auftraggeber ein Verbot, die EU-rechtswidrigen Regelungen der HOAI weiter anzuwenden. Dies folge aus Art. 260 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit den Grundsätzen über den Anwendungsvorrang des EU-Rechts. Aus demselben Grund sei dieser Umstand auch dann von Nachprüfungsinstanzen aufzugreifen, wenn keiner der Beteiligten im Nachprüfungsverfahren diesen Aspekt gerügt habe.
Klartext: Öffentliche Auftraggeber dürfen kein Vergütungssystem vorgeben, das zur (teilweisen) Beachtung der Mindestsätze gemäß HOAI zwingt.
Sofern öffentliche Auftraggeber Vergabeverfahren bereits ohne Berücksichtigung dieses Verbotes begonnen haben, ist die Preisabfrage entsprechend anzupassen. Sollten bereits finale Angebote vorliegen, muss zumindest die finale Preisabfrage ohne Bindung an die HOAI-Regelungen zu Mindest- und Höchstsätzen wiederholt werden. Eine vollständige Zurückversetzung des Verfahrens wird dadurch vermeidbar sein.