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GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
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Keine vergaberechtliche Ausschlussfrist für Schadensersatzansprüche

Vergaberecht - 03.08.2016

Ist ein öffentlicher Auftrag an einen Wettbewerber erteilt, bleibt übergangenen Interessenten oft nur noch die Klage auf Schadensersatz. Doch ist dafür ohne vorherige Rüge oder Nachprüfungsverfahren überhaupt Raum?

Auf Vorlage eines österreichischen Gerichts hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass nationales Recht die Erhebung einer Klage auf Schadensersatz wegen eines vergaberechtlichen Verstoßes nicht von der (erfolgreichen) Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens abhängig machen darf (EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – Rs. C-166/14 – MedEval).

Der EuGH hat damit eine entsprechende österreichische Vergaberechtsregelung für unwirksam erklärt. Die Rechtslage in Deutschland weicht davon ab. Bestandskräftige Entscheidungen vergaberechtlicher Spruchkörper binden ordentliche Gerichte in anschließenden Schadensersatzprozessen. Trotzdem sind Schadensersatzklagen ohne vorheriges Nachprüfungsverfahren zulässig (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23.12.2014, Az.: 2 U 74/14; OLG Koblenz, Beschluss vom 06.06.2013, Az.: 2 U 522/12; OLG Dresden, Urteil vom 10.02.2004, Az.: 20 U 1697/03).


Dennoch ist bei erkannten Vergaberechtsverstößen der Verzicht auf vergaberechtlichen Rechtschutz nicht ganz ohne Risiko. Wenn ein Bieter Vergaberechtsverstöße erkannt hat und schuldhaft nicht rügt oder nicht durch rechtzeitigen Nachprüfungsantrag seine Chance auf Erhalt des Zuschlags zu wahren sucht, kann ihm Mitverschulden vorzuwerfen sein. Dies kann seinen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses (und damit insbesondere des entgangenen Gewinns) gemäß § 254 BGB mindern oder sogar entfallen lassen (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23.12.2014, Az.: 2 U 74/14).