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GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
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Kreative Inhouse-Vergabe oder mieser Trick?

Vergaberecht - 05.10.2023

OLG Naumburg, Beschluss vom 03.06.2022 7 Verg 1/22

Die „Inhouse“-Vergabe ist das meistgenutzte Vehikel, um (vermeintlich) die Fesseln des Vergaberechts abzustreifen. § 108 GWB eröffnet einen Strauß von Konstellationen, unter denen ein öffentlicher Auftraggeber ohne Ausschreibung einen Auftrag bei einem Unternehmen platzieren darf, wenn er dieses Unternehmen „wie eine eigene Dienststelle“ beherrscht.

Trotzdem hat das OLG Naumburg in seinem Beschluss vom 03.06.2022 die Unwirksamkeit eines Betriebsführungsvertrages festgestellt, den ein Schwesterunternehmen ohne Ausschreibung mit seiner Schwester geschlossen hatte. Und das nur, weil die Schwestern (rechtlich) teilweise unterschiedliche Mehrmütter haben!

Ein Verband (Schwester 1) hatte fünf Mitgliedsgemeinden (Mütter im Sinne des Vergaberechts). Diese beherrschten ihn. Nun hatte die eine Mutter (verbandsangehörige Gemeinde) eine weitere 100%ige Tochter(-gesellschaft) – Schwester 2 -, die sie natürlich auch beherrschte! Und was liegt da näher, als die direkte vergaberechtsfreie Erteilung des Betriebsführungsauftrages der einen Tochter / Schwester 1 (Verband) an die fachlich geeignete andere Tochter / Schwester 2.

Solche Halbschwesternschaft mit asymmetrischen Elternverhältnissen toleriert das OLG Naumburg in seinem Beschluss vom 03.06.2022 natürlich nicht! Beherrschung / Kontrolle müsse einheitlich sein.

Der Wortlaut des § 108 GWB mag diese Einschränkung hergeben. Die Gesetzesbegründung zur „Inhouse“-Vergabe bei gemeinsamer Kontrolle trägt diese enge Betrachtung nicht. Sie schränkt ohne sachlichen Grund die Gestaltungsmöglichkeiten öffentlicher Auftraggeber bei interkommunalen Kooperationsprojekten ein. Hoffentlich werden andere Vergabesenate die Chance zur Korrektur erhalten.