Jens Stanger
Rechtsanwalt
Fachanwalt für
Informationstechnologierecht
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Im März 2020 führte ein unsichtbares Virus dazu, dass die Lieferketten durch geschlossene Grenzen abbrachen, Unternehmen nicht lieferfähig waren und die Preise Purzelbäume schlugen. Heute, im März 2022, führt der Angriff Russlands auf die Ukraine dazu, dass Fabriken dort ihre Produktion kriegsbedingt einstellen müssen, benötigte Zulieferteile nicht mehr liefern können, die (Energie-)preise wieder verrücktspielen und Unternehmen aufgrund staatlicher Vorgaben – Sanktionen – daran gehindert sind, ihre Kunden zu bedienen.
Was bedeutet dies für ihre konkreten Vertragsbeziehungen als Unternehmerin oder Unternehmer?
1. Höhere Gewalt- oder Force Majeure-Klauseln
Ist in einem Vertrag eine Force Majeure- oder auch höhere Gewalt-Klausel enthalten, adressiert diese die Folgen von Störungen, die durch Umstände hervorgerufen werden, die sich der Kontrolle und Einflussnahme der Vertragsparteien entziehen. Der Kriegsfall ist in diesen Klauseln meist ausdrücklich aufgeführt.
Folge einer solchen „Force Majeure“-Klausel ist regelmäßig, dass Leistungspflichten der Parteien suspendiert und Schadensersatzansprüche ausgeschlossen werden. Ggf. sind auch weitreichende Kündigungs- und Rücktrittsrechte vereinbart.
Enthält ein Vertrag eine solche Klausel, geht sie allen anderen Regelungen vor.
2. Leistungsverweigerungsrecht für Auftragnehmer
Was ist jedoch mit Verträgen, in denen eine solche Klausel fehlt?
Das deutsche BGB kennt den Begriff der höheren Gewalt nicht, enthält aber Regelungen, die auf derartige Fälle angewendet werden können.
Das Argument der „Unmöglichkeit“ der Leistung (§ 275 BGB) wird nur bei speziellen Bauteilen/Komponenten in Betracht gezogen, die anders nicht zu beziehen sind. Die zur Lieferung verpflichtete Partei braucht für die Verzögerung oder den Lieferausfall dann keinen Schadensersatz zu zahlen. Andererseits muss deren Vertragspartner seine vertragliche Gegenleistung (meist die Vergütung) nicht erbringen und kann, nach vorheriger Fristsetzung, vom Vertrag zurücktreten.
Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kommt stattdessen schon bei einer deutlichen Störung oder Verteuerung der Beschaffung in Betracht. Rechtsfolge ist, dass eine Partei von ihrem Vertragspartner die Anpassung des Vertragsverhältnisses verlangen kann. Ist selbst diese unzumutbar, kann sogar ein Rücktrittsrecht bestehen.
3. Nur begrenztes Lösungsrecht für den Auftraggeber
Diese Regelung hilft jedoch dem Auftraggeber nicht, der nun aufgrund des Krieges oder etwaigen Sanktionsvorgaben kein Interesse mehr an der Leistung hat. Er möchte sich vielmehr von dem Vertrag lösen, obwohl der Auftragnehmer vielleicht noch leisten kann und will.
Was kann der Auftraggeber nun tun? Er sollte sich unverzüglich mit seinem Vertragspartner in Verbindung setzen, ihn sorgfältig darüber unterrichten, dass die kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen auch Auswirkungen auf den konkreten Vertrag haben und mit ihm über eine Anpassung des Vertrages verhandeln. Dabei sollte der Auftraggeber im Hinterkopf behalten, dass grundsätzlich ihn das Verwendungsrisiko der Leistung im Vertragsverhältnis trifft und ihn im Zweifel nicht vollständig von den vertraglichen Pflichten befreit, sondern vielmehr zunächst ein Bemühen um eine alternative oder teilweise Leistungserbringung verlangt.
Leider sind die Fallgestaltungen im Vertragsrecht so zahlreich, dass diese nicht vollumfassend dargestellt werden können. Bitte sprechen Sie uns dazu an.
4. Sanktionspaket
Nicht immer ist eine Lieferung aufgrund des Sanktionspakets verboten. Grundsätzlich gelten die neuen Sanktionen zwar ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens für das Bestands- und Neugeschäft. Allerdings sehen einige der konkreten Verbotsvorschriften Altvertragsklauseln bzw. Abwicklungsfristen vor. Dies ermöglicht in bestimmten Einzelfällen, dass bereits vor Inkrafttreten der neuen Sanktionen abgeschlossene Verträge noch – zumindest bis zu bestimmten Stichtagen – erfüllt werden können. Hier hilft ein Blick in die entsprechende Sanktionsverordung der EU.
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