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GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
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Man muss vertrauen dürfen!

Vergaberecht - 12.05.2021

Die Vergabestelle schrieb im Offenen Verfahren die Übernahme, den Transport, die Sortierung und die Verwertung von Wertstoffen aus. Die Bieter mussten zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit u. a. ihre „Anlage und das Sortierverfahren“ darstellen. Bieter A war der Ansicht, dass das Angebot des Bieters B auszuschließen sei, da seine Sortieranlage nicht die Recyclingquote von mindestens 50 Masseprozent nach § 16 Abs. 4 VerpackG einhalte. Den nach Ablehnung einer Abhilfe eingereichten Nachprüfungsantrag wies die Vergabekammer zurück. Aufgrund der Angaben zur Sortierleistung habe die Vergabestelle nicht an der Eignung des B zweifeln müssen. 

Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 29.05.2020 - 15 Verg 2/20) wies die dagegen gerichtete Sofortige Beschwerde zurück. Die Vergabestelle hat zu Recht davon abgesehen, das Angebot des B nach § 57 Abs. 1 VgV auszuschließen. Die Vergabestelle musste die Angaben zur Sortierleistung aufklären. Sie war aber nicht verpflichtet, weitergehend zu überprüfen, ob B seine mit dem Angebot verbindlich eingegangenen Verpflichtungen einhalten wird. 

Auf das Leistungsversprechen eines Bieters darf eine Vergabestelle sich grundsätzlich verlassen. Eine Überprüfung wäre nur erforderlich gewesen, wenn konkrete Tatsachen gegen die Plausibilität des Leistungsversprechens gesprochen hätten.

Diese Rechtsprechung mit anlassbezogen ausgelöster Prüfungspflicht ist praxisgerecht. Vergabestellen müssen vertrauen dürfen. Außerdem müssen sie im Auge behalten, dass der Bieter die Leistungsfähigkeit erst zum Zeitpunkt des vorgesehenen Vertragsbeginns aufweisen muss. In der Wahl ihrer Überprüfungsmittel im konkreten Anlassfall (z. B. Bemusterungen, Teststellungen und Kontrollen vor Ort) sind Vergabestellen dabei grundsätzlich frei, solange sie ein geeignetes Mittel wählen und die Auswahl nicht auf sachwidrigen Erwägungen beruht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 - Verg 20/19).