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ChabasKatarzyna Chabas
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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Mietmangel, Höhere Gewalt, und Störung der Geschäftsgrundlage - entfällt jetzt die Zahlungsverpflichtung der Mieter?

Mietrecht - 01.04.2020

Aufgrund zahlreicher Beschränkungen insbesondere auch im wirtschaftlichen Bereich und der damit einhergehenden Umsatzeinbußen und Lohnkürzungen kam in den letzten Tagen vermehrt die Frage auf, ob Mieter die Zahlung der vereinbarten Miete unter Berufung auf die COVID-19-Pandemie vollständig oder teilweise verweigern können. Zu lesen sind in Presse und entsprechenden Fachartikel vielfach Schlagworte wie höhere Gewalt und Störung der Geschäftsgrundlage.  

Zahlreiche Vermieter fürchten nun erhebliche Einnahmeverluste durch ausbleibende Mieten. Mieter hingegen sehen eine Chance, die laufenden Mieten einzustellen oder zumindest erheblich zu kürzen. Zu Recht?  

Der Vermieter ist nach § 535 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache für die Dauer des Mietverhältnisses zu gewähren. Im Gegenzug ist der Mieter zur Zahlung der vereinbarten Miete verpflichtet.  

Ändert die aktuelle Situation um die COVID-19-Pandemie etwas an diesen gesetzlichen Regelungen und den einzelnen vertraglichen Vereinbarungen in bestehenden Mietverträgen?  

I. Gewerbemietrecht  

In der Gewerbemiete wird das Mietobjekt regelmäßig zu einem bestimmten Zweck vermietet. Daher begründen einige Gewerbemieter angekündigte Zahlungseinstellungen damit, dass sie aufgrund der aktuellen Situation und der behördlichen Schließungsanordnung das ihnen überlassene Objekt nicht zum vereinbarten Zweck nutzen können.  

Ob und welche Richtung die Rechtsprechung in der Zukunft einschlagen wird, ist offen. Auf Grundlage derzeitiger gesetzlicher Regelungen und der aktuell geltenden Rechtsprechung dürfte für die Kürzung oder vollständige Einstellung der Mietzahlungen regelmäßig wenig Raum bestehen.  

1. (Kein) Recht zur Minderung der Miete?  

Das Recht zur Mietminderung setzt einen Mangel der Mietsache voraus, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch oder zum vereinbarten Zweck wesentlich beeinträchtigt. Ein solcher Mangel der Mietsache liegt in einer (temporären) behördlichen Schließungsanordnung wegen außerhalb des Mietobjekts liegender Umstände aber gerade nicht vor. Das Mietobjekt als solches ist nach wie vor zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeignet. Die Schließungsanordnung erfolgt auf Grund einer vom Mieter selbst gewünschten Nutzungsart, bspw. als Hotel oder Fitnessstudio. Das Verwendungsrisiko liegt jedoch regelmäßig beim Mieter eines Gewerbeobjektes.  

Umsatzeinbußen aufgrund einer geringeren Nachfrage infolge der COVID-19-Pandemie, aber auch vollständige Umsatzeinbrüche aufgrund behördlicher (temporärer) Schließungsanordnungen ändern hieran grundsätzlich nichts. Die behördlichen Anordnungen ergehen aufgrund eines Umstands, den der Vermieter nicht zu vertreten hat. Gebäudespezifische Gründe für die temporäre Nutzungsuntersagung liegen hingegen nicht vor. Mit dem sogenannten Umweltmangel (bspw. eine Baustelle in unmittelbarer Nähe) ist die COVID-19-Pandemie ebenfalls nicht vergleichbar.  

Häufig enthalten (Gewerbe-)Mietverträge besondere Regelungen zur Risikoverteilung, die die o.g. Ausführungen zur Risikoverteilung entsprechend bestätigen. Unter Umständen können vertragliche Regelungen jedoch auch eine abweichende rechtliche Bewertung rechtfertigen. Für eine abschließende Beurteilung der jeweiligen Situation ist daher stets eine im Einzelfall durchzuführende rechtliche Prüfung erforderlich.  

2. Störung der Geschäftsgrundlage wegen höherer Gewalt?  

Auch haben Gewerbemieter in den letzten Tagen angekündigte Zahlungseinstellungen oder begehrte Mietkürzungen mit der Störung der Geschäftsgrundlage begründet. Die COVID-19-Pandemie stelle eine höhere Gewalt dar, die eine Anpassung der vertraglich festgelegten Miete für die Dauer der behördlich angeordneten Geschäftsschließung vollständig entfallen lasse und danach eine Anpassung der Miete erforderlich mache.  

Bei temporären Schließungen ist die Anwendbarkeit der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung jedoch zumindest fraglich.  

Bei einer behördlichen (temporären) Nutzungsuntersagung kann die erforderliche schwerwiegende (dauerhafte) Veränderung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB gerade nicht bejaht werden. Auch temporäre Betriebsunterbrechungen bzw. Betriebsschließungen fallen grundsätzlich in die unternehmerische und wirtschaftliche Risikosphäre des Gewerbemieters, jedenfalls dann, wenn diese nicht auf gebäudespezifische Gründe zurückzuführen ist. Zudem hätte der Vermieter auch bei Kenntnis der Pandemie wohl keine anderweitige vertragliche Regelung getroffen.  

Regelmäßig wird daher bei Betriebsschließungen von lediglich wenigen Wochen oder Monaten für die Anpassung der vertraglichen Regelungen nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (noch) kein Raum sein. Wie sich die Situation um die COVID-19-Pandemie entwickelt ist noch offen. Zuverlässige Prognosen können derzeit nicht vorgenommen werden.  

Für eine abschließende Bewertung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen, sind ebenfalls die konkreten vertraglichen Regelungen und die gesamten Umstände im Einzelfall maßgeblich.  

3. Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrechts  

Obwohl der Gesetzgeber die für viele Gewerbemieter schwierige Situation schnell erkannt und Regelungen zum Schutz derjenigen Gewerbemieter auf den Weg gebracht hat, die durch die COVID-19-Pandemie besonders hart getroffen werden, hält er an der grundsätzlich bestehenden Zahlungsverpflichtung des Mieters weiterhin fest.  

Für in der Zeit zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 aufgelaufene Zahlungsrückstände, die nachweislich auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, soll bis zum 30.06.2022 lediglich das Recht des Vermieters zur Kündigung des Mietverhältnisses beschränkt werden. Den Wegfall oder Beschränkungen der Zahlungsverpflichtungen hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht vorgesehen.  

II. Wohnraummietrecht  

Die rechtliche Bewertung im Wohnraummietrecht gestaltet sich im Verhältnis zum Gewerbemietrecht noch etwas einfacher. Der Mieter hat die Wohnung zu Wohnzwecken gemietet und kann diese unstreitig zu Wohnzwecken auch weiterhin nutzen. Für die Ausübung des Mietminderungsrechts oder für eine Anpassung der vertraglichen Regelungen nach den Grundsätzen der Störung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage besteht somit kein Raum.  

Da das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht auch auf Wohnraummieter anwendbar ist, sind Wohnraummieter allenfalls vor einer Kündigung geschützt. Dies gilt aber in entsprechender Anwendung obiger Ausführungen nur für Zahlungsrückstände, die zwischen April und Juni 2020 aufgelaufen sind und nachweislich im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stehen. Die Gründe wird auch der Wohnraummieter glaubhaft machen müssen.  

III. Handlungsempfehlung  

Sowohl Mietern als auch Vermietern ist zu raten, die konkreten vertraglichen Regelungen und sämtliche Umstände des konkreten Falles überprüfen zu lassen. Abweichende vertragliche Regelungen können eine andere Bewertung der Rechtslage rechtfertigen. Vor voreiligen Schnellschüssen ist sowohl Vermietern als auch Mietern dringend abzuraten.  

Wie sich die Situation in der Zukunft entwickelt, ist offen. Insbesondere bleibt abzuwarten, ob und inwieweit gesetzliche Regelungen und die Rechtsprechung auch künftig auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie reagieren werden. Über neue Entwicklungen werden wir Sie weiter informiert halten.  

Bei Fragen und Beratungsbedarf sind wir selbstverständlich für Sie da. Sprechen Sie uns gern an!