Dr. Joachim Gulich LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für
Vergaberecht
Fachanwalt für
Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für
Steuerrecht
Telefon: +49 (0) 531 28 20-605
Telefax: +49 (0) 531 28 20-695
gulichappelhagen.de
(OLG Celle, Urt. v. 29.12.2022 – 13 U 3/22)
Die Vergabestelle schrieb Anfang 2015 Leistungen zur Durchführung von Sicherheitskontrollen gem. § 5 Abs. 1 bis 4 des Luftsicherheitsgesetzes europaweit aus. Ein Vertragsentwurf war nicht Bestandteil der Vergabeunterlagen.
Die Bestbieterin erhielt auf ihr Angebot mit Schreiben vom 17. März 2015 den Zuschlag. Ferner bat die Vergabestelle, eine dem Zuschlagschreiben beiliegende Ausfertigung eines Vertrages samt Anlagen umgehend unterzeichnet zurückzusenden.
Die Auftragnehmerin verweigerte die Unterzeichnung des Vertragsentwurfes. Auch nachdem die Vergabestelle die Auftragnehmerin zur fristgerechten Aufnahme der Leistungsausführung und zur Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung aufforderte, lehnte die Bieterin eine Mitwirkung ab und verneinte das Zustandekommen eines Vertrages.
Das OLG Celle entschied, dass mangels korrespondierender Willenserklärungen kein Vertrag zustande gekommen ist. Das „Nachschieben“ des Vertragswerks ist mehr als das unverbindliche Äußern von Änderungswünschen. Die Vergabestelle habe nicht klar ausgeführt, dass der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll.
Im Gegenteil hatte die Vergabestelle durch die erstmalige Übersendung des Vertragsentwurfs gem. § 150 Abs. 2 BGB ein neues, eigenes Angebot an die Bieterin unterbreitet. Das eigentlich zuschlagsfähige Angebot der Bieterin war damit gem. § 146 BGB erloschen.
Der praktische Handlungsauftrag für den öffentlichen Auftraggeber ist deshalb klar: Er muss spätestens bis zur Vergabereife nicht nur seine Beschaffungsabsicht in einem Beschaffungsgegenstand konkretisieren, sondern ihn zusammen mit erschöpfend festgelegten vertraglichen Bedingungen der Leistungsausführung in ein Vertragswerk gießen.