Christian Ballasch
Rechtsanwalt
Fachanwalt für
Verkehrsrecht
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Der Kunde eines Autohauses kauft laut Vertrag ein „Neufahrzeug“. Nach dem Kauf stellt er fest, dass das Fahrzeug bereits 45 km „auf dem Tacho“ hat. Wäre das Fahrzeug damit nicht mehr „neu“, wäre es mangelhaft. Schließlich ist im Kaufvertrag der Kauf eines „Neufahrzeugs“ vereinbart. Aber ist ein Fahrzeug mit einer Laufleistung von 45 km noch neu?
Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Damit ein Fahrzeug noch „neu“ ist, muss es u.a. „unbenutzt“ sein. Hierzu darf es nicht am „allgemeinen Straßenverkehr teilgenommen haben“. Wie die auf dem Tacho angezeigte Fahrtstrecke zustande gekommen ist, lässt sich oft im Nachhinein nicht mehr klären. Liegt eine „längere ungeklärte Fahrstrecke“ vor, wird die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr vermutet. Dann wäre es kein Neufahrzeug (mehr). Wann eine solche Fahrtstrecke vorliegt, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Das OLG Düsseldorf (NJW-RR 2007, 1129) bejaht eine solche „längere ungeklärte Fahrtstrecke“ bereits bei über 20 km. Das Landgericht in Bremen (DAR 2008, 530) geht bei einer Fahrtstrecke von 35 km noch von einem Neufahrzeug aus. Ab einer „ungeklärten Fahrstrecke“ von 50 km dürfte regelmäßig nicht mehr von einem Neufahrzeug auszugehen sein. Das Fahrzeug aus dem Beispiel ist daher an der Grenze zum Gebrauchtfahrzeug.
Autohäuser lassen oftmals Fahrzeuge im Wege einer Kurzzulassung (maximal 30 Tage) auf sich zu. Anschließend werden diese Fahrzeuge verkauft. Auch hier stellt sich die Frage, ob ein solches Fahrzeug noch „neu“ ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mitgeteilt, dass auch ein solches Fahrzeug noch ein Neufahrzeug sein kann, wenn es nur „kurze Zeit“ nach der Erstzulassung verkauft wird. „Kurze Zeit“ bedeutet regelmäßig, dass es nicht später als zwei Wochen nach der Erstzulassung verkauft werden darf. Natürlich muss das Fahrzeug zudem „unbenutzt“ im o.g. Sinne sein. Der Verkäufer muss den Kunden dann von sich aus nicht auf eine solche Kurzzulassung hinweisen. Fragt der Kunde jedoch ausdrücklich nach, muss der Verkäufer diese Frage wahrheitsgemäß beantworten. Die Frage, ob ein Käufer ein gebrauchtes Neufahrzeug oder einen neuen Gebrauchtwagen gekauft hat, ist damit weitaus komplexer, als man es annehmen dürfte!