Dr. Joachim Gulich LL.M.
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Der Vergabesenat des OLG Düsseldorf hat klargestellt, dass der Auftraggeber im Falle eines zweistufigen Vergabeverfahrens nicht verpflichtet ist, schon mit der Auftragsbekanntmachung sämtliche Vergabeunterlagen elektronisch bereitzustellen (Beschluss v. 17.10.2018 – VII-Verg 26/18). Es müssen nur diejenigen Unterlagen elektronisch frei verfügbar sein, die ein potenzieller Bewerber oder Bieter für eine Entscheidung über eine Bewerbung um Teilnahme benötigt.
Allen Vergabeordnungen enthalten für europaweite Vergaben eine Regelung, nach der die Auftragsbekanntmachung (oder die Aufforderung zur Interessensbestätigung) eine elektronische Adresse enthalten soll, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können (§ 41 Abs. 1 VgV sowie § 12a EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Die UVgO sieht dies auch für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte in ihrem § 29 Abs. 1 vor.
Die Regelungen unterscheiden dabei nicht nach den einzelnen Verfahrensarten. In der Beschaffungspraxis stellt sich daher die Frage, ob auch in zweistufigen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb (Nichtoffenes Verfahren, Verhandlungsverfahren bzw. beschränkte Ausschreibung und Verhandlungsvergabe) bereits mit der Auftragsbekanntmachung sämtliche Vergabeunterlagen zum Download bereitgestellt werden müssen. Das schlösse jene Unterlagen ein, die erst und nur von die im Teilnahmewettbewerb ausgewählten Bewerbern für die Erstellung eines Angebots benötigen.
Das OLG Düsseldorf legt § 41 Abs. 1 VgV so aus, dass nur die Angaben erforderlich sind, die potenziellen Bewerbern oder Bieter eine Entscheidung über die Teilnahme an dem Vergabeverfahren ermöglichen. Insbesondere ein Entwurf des abzuschließenden Vertrages oder ein Leistungsverzeichnis seien auf der ersten Stufe des Verfahrens nicht erforderlich.
In der Sache ist die Aussage für die Praxis bedeutsam. Sie erleichtert die Durchführung der zweistufigen Verfahren. Gerade in Verhandlungsverfahren ändern sich die Vergabeunterlagen regelmäßig. Europarechtlich wird man die Entscheidung kritisch sehen müssen. Das Richtlinienpaket 2014 hatte die Angebotsfristen gerade mit der Erwägung verkürzt, dass die Auftragsunterlagen vollständig elektronisch bereitgestellt würden (Erwägungsgrund 80 zur RL 2014/24/EU). Das impliziert die Bereitstellung aller Unterlagen, die für ein Angebot nötig sind.