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Nicht jeder Ausführungsfehler während der Baumaßnahme berechtigt zur Kündigung aus wichtigem Grund!

Baurecht - 02.11.2023

Nach der VOB/B kann der Auftraggeber den Bauvertrag wegen Mängeln, die er bereits während der Ausführung erkennt und erfolglos rügt, kündigen (§ 4 Abs. 7 VOB/B i.V.m § 8 Abs. 3 VOB/B).

Der BGH hat entschieden, dass diese Regelung den Auftragnehmer unangemessen benachteilige und unwirksam sei, wenn die Bauvertragspartner die VOB/B nicht „als Ganzes“ vereinbart haben. Die VOB/B ist in ihrer Gesamtheit darauf ausgelegt, die Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer auszubalancieren. Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrages die selektive Anwendung einzelner Vorschriften der VOB/B, ist dieser Interessenausgleich nicht mehr gewährleistet. Diese Unwucht sieht der BGH, wenn der Auftraggeber sich das Recht einräumen lässt, den Bauvertrag schon während der Bauausführung wegen Mängeln zu kündigen: Der Auftraggeber könnte umfangreiche Verträge wegen Kleinstmängeln kündigen. Der Auftragnehmer hätte im Gegenzug keinen Anspruch auf Vergütung der vertraglich vereinbarten (aber noch nicht ausgeführten) Leistungen. Dies widerspricht dem wesentlichen Grundgedanken des Werkvertragsrechts: Eine außerordentliche Kündigung, die weitere Werklohnforderungen ausschließt, muss verhältnismäßig sein.

Für die Praxis bedeutet das zukünftig, dass Auftraggeber vor einer Kündigung wegen fehlerhafter Bauausführung nicht nur den Auftragnehmer abmahnen, sondern auch sein Interesse an der Fortführung des Vertrages gegen die Bedeutung des Mangels für das Gesamtvorhaben abwägen müssen. Sonst droht die Auslegung ihrer Kündigungserklärung als sog. „freie“ Kündigung, bei der der Auftragnehmer einen Teil des auf die kündigungsbedingt nicht mehr ausgeführten Leistungen entfallenden Werklohns verlangen kann.