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Passgenauer „gelber Schein“ nach Kündigung ist angreifbar

Arbeitsrecht - 06.05.2024

Für Arbeitgeber kann es sich lohnen, bei Krankmeldungen im Zusammenhang mit Kündigungen genauer hinzusehen. Anlass gibt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2023 (Az. 5 AZR 137/23). Fallen Kündigung und Krankmeldung eines Arbeitnehmers unmittelbar zusammen, kann der hohe Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Auffassung des Senats erschüttert sein.

Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit entfällt die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Für einen Zeitraum von sechs Wochen schuldet der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Den Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit erbringt der Arbeitnehmer durch ärztliche Bescheinigung. Dieser Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu, der nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte erschüttert wird. Eine solche Erschütterung kann gegeben sein, wenn der Arbeitnehmer nach Zugang einer Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen und der Arbeitnehmer unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt. Nach Auffassung des Gerichts ist hierfür nicht entscheidend, ob es sich um eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder um eine Kündigung des Arbeitgebers handelt. Damit führt das BAG seine Rechtsprechung konsequent fort und schafft Klarheit in einer Diskussion von praktischer Bedeutung. Bereits 2021 entschieden die Richter, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Eigenkündigung einer Arbeitnehmerin und passgenauer Krankheitsdauer für den Lauf der Kündigungsfrist erschüttert war.

Die wundersame Genesung zu Beginn des neuen Jobs hinterlässt also nicht nur einen „faden Beigeschmack“, sondern kann begründete Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers liefern. Diese führen zwar noch nicht automatisch zum Entfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Es ist nun aber Sache des Arbeitnehmers, konkrete Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die den Schluss auf eine Erkrankung zulassen. Das können Angaben zur Art und zum Verlauf der Erkrankung oder eine Zeugenaussage des behandelnden Arztes sein.

Diese Entwicklung ist zu begrüßen, weil Arbeitgeber im Fall einer Erkrankung eines Arbeitnehmers in der Regel keine Informationen zu deren Art und Ausmaß haben. Letzte Gewissheit über die Angreifbarkeit des Beweiswertes ärztlicher Atteste gibt allerdings auch die Entscheidung des BAG nicht. Maßgeblich für die Beurteilung einer Erschütterung des Beweiswertes sind und bleiben die konkreten Umstände des Einzelfalls. Ein genaueres Hinsehen bei Krankmeldungen im Zusammenhang mit Kündigungen kann sich aber lohnen.