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StaatsSebastian Staats
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Pflicht des AG zur rechtzeitigen Beschaffung – Keine Dringlichkeit bei zu später Beschaffung

Vergaberecht - 06.12.2022

Das Vergaberecht sieht bei unvorhersehbaren Ereignissen, die die dringende Beschaffung von Leistungen erfordern (sog. Dringlichkeitsvergabe), erhebliche Verfahrenserleichterungen vor.

Überschreitet der Auftragswert die EU-Schwellenwerte, dürfen öffentliche Auftraggeber dringend benötigte Leistungen beschaffen, wenn (1.) zwingende Gründe in Folge eines Ereignisses dazu führen, dass (2.) Leistungen so dringend beschafft werden müssen, dass die Einhaltung von vergaberechtlichen Mindestfristen nicht möglich ist und (3.) die Ereignisse vom Auftraggeber nicht verschuldet oder vorhersehbar waren. Solche Erleichterungen des Vergabeverfahrens finden sich u.a. für die Beschaffung von Bauleistungen in § 3a Abs. 3 Nr. 4 VOB/A-EU, für Liefer- und Dienstleistungen in § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV und für Sektorenaufträge in § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO. Die Corona-Pandemie und akute Gefahrensituationen aufgrund höherer Gewalt (Flut-, Sturm-, Brand- und sonstige Katastrophenschäden) haben zu einer Renaissance dieser Dringlichkeitsvergaben geführt. 

Dringlichkeit als Ausnahme hat hohe Anforderungen. Viele Auftraggeber erleiden in der Begründung von Direktvergaben Schiffbruch in der Abwägung zwischen den bedrohten Rechtsgütern und der vergaberechtlichen Pflicht zur Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens. Rein wirtschaftliche Erwägungen begründen keinen zwingenden Grund, der ein wettbewerbliches Verfahren ausschließen könnte.

Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer des Bundes (Beschl. v. 20.07.2022 – VK 2-60/22) war der jüngste Warnschuss. Obwohl der Auftraggeber Produkte beschaffen wollte, die für den Schutz von Leib und Leben der Anwender (Polizisten) von großer Bedeutung sind, hat ihm die Vergabekammer die rote Karte gezeigt. Er hatte es versäumt, die Neuvergabe des auslaufenden Rahmenvertrages rechtzeitig einzuleiten. Mit anderen Worten: Selbst geschaffene Gründe begründen keine Dringlichkeit.