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StaatsSebastian Staats
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Preisanpassungsklauseln sind unverändert ein Muss!

Vergaberecht - 01.06.2023

Der Auftraggeber (AG) schrieb Dachabdichtungsarbeiten im offenen Verfahren mit einem Leistungszeitraum von Januar 2023 bis Juli 2024 ohne Preisgleitklauseln aus. Ein Bieter rügte das Fehlen von Preisgleitklauseln unter Verweis auf die geltenden Ministerialerlasse. Der AG half der Rüge nicht ab. Er meint, die Aufnahme einer Preisanpassungsklausel sei nicht erforderlich: Bei dem ausgeschriebenen Gewerk seien keine Preissteigerungen seit Anfang des Jahres zu verzeichnen gewesen. Die Preise seien zum Zeitpunkt der Erstellung des Leistungsverzeichnisses eher stabil gewesen, bei leicht rückläufiger Tendenz. Somit sei von keinem unkalkulierbarem Preisrisiko auszugehen.

Das sieht die Vergabekammer Lüneburg (Beschluss vom 01.02.2023 - VgK-27/2022) anders: Das Vergaberecht verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, sich wettbewerbsrechtlich fair zu verhalten. Der öffentliche Auftraggeber legt dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis auf, wenn er von den Anbietern feste Preise für alle Positionen des Leistungsverzeichnisses einfordert. Durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine und die verhängten Sanktionen bestehen erhebliche Veränderungen in der Bitumenversorgung, da rund 30 % der Bitumenversorgung in Abhängigkeit von Russland stehe. Der Ukraine-Krieg ist unverändert als ein Ereignis anzusehen, das den Bietern auch noch im Frühjahr 2023 eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ohne Preisgleitklausel unmöglich macht (Fortführung von VK Westfalen, VPR 2022, 138). Ohne Preisgleitung greife die Vergabe zudem unzulässig in den Wettbewerb ein, indem Bieter bevorteilt würden, die sich durch erhebliche Materialbevorratung von kurzfristigen Preisschwankungen unabhängig machen könnten. Hierin sieht die Vergabekammer Lüneburg ebenfalls einen Verstoß gegen § 97 Abs. 4 GWB. Wo sie allerdings die Grenze zwischen ordnungsgemäßer Bevorratung und Hamsterkäufen zieht, bleibt in der Entscheidung offen.