Ilka Michos
Rechtsanwältin
Fachanwältin für
Verwaltungsrecht
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In Dorfgebieten kommt es häufig zu Konflikten zwischen Tierhaltungsbetrieben und Wohnnutzung. Daher galt bisher „Wehret den Anfängen“. Der Tierhalter war verpflichtet, bereits gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für heranrückende Wohnbebauung vorzugehen. Die Erfolgschancen sind nach dem Beschluss des OVG Lüneburg vom 12.09.2022 (Az.: 1 ME 48/22) deutlich erschwert.
In dem entschiedenen Fall wehrte sich der Landwirt, der eine Hofstelle mit Schweinehaltung betrieb, gegen die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit elf Wohneinheiten in einem Abstand von etwa 100 m zu seiner Hofstelle. Das Nachbargrundstück war bisher mit einer Gastwirtschaft bebaut. Der Landwirt war der Auffassung, dass sich die Wohnbebauung unzumutbaren Geruchsimmissionen aussetze und er selbst daher zukünftig mit einschränkenden Auflagen rechnen müsse.
Bei der Frage der Zumutbarkeit von Gerüchen orientierte sich die Rechtsprechung bisher an den Immissionsrichtwerten der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL). Die heranrückende Wohnbebauung wurde regelmäßig als rücksichtslos gewertet, wenn diese Werte überschritten wurden (in Dorfgebieten mehr als 15 % der Jahresgeruchsstunden). Ausnahmen galten insbesondere für „Schicksalsgemeinschaften von Landwirten“ im Außenbereich.
Das OVG Lüneburg stellt in dem Beschluss vom 12.09.2022 abweichend davon auf das Maß der tatsächlich genehmigten Vorbelastung ab. Auch wenn diese den Immissionsrichtwert der GIRL überschreite, kann die neue Wohnnutzung zulässig sein, solange die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat. Zumutbar wären daher auch Geruchsbelastungen von 20 % oder 25 % der Jahresgeruchsstunden. Der Landwirt sei durch die bestandskräftige Genehmigung geschützt. Mit zusätzlichen Auflagen müsse er nur rechnen, wenn er die Betreiberpflichten nach § 22 BImSchG nicht einhalte. Grds. muss die Anlage nach dem Stand der Technik betrieben werden. Dazu sei der Landwirt auch ohne die heranrückende Wohnbebauung verpflichtet.
Das ist grundsätzlich richtig. Ein Einschreiten der Behörde steht jedoch in ihrem Ermessen. Die Ermessensausübung wird eher zu Lasten des Landwirts ausfallen, wenn es in seiner näheren Umgebung Wohnbebauung gibt und sich die Nutzer regelmäßig beschweren. Riecht es an der neuen Wohnbebauung häufiger als in 15 % der Jahresgeruchsstunden, dürften sich Beschwerden bei der Immissionsschutzbehörde häufen.
Vielleicht ist dann ein Beschluss eines Gerichts hilfreich, der den neuen Nachbarn Gerüche bis zur Grenze zur Gesundheitsgefahr ausdrücklich zumutet. Der Versuch, das Vorhaben bereits im Vorfeld abzuwehren, könnte sich daher nach wie vor lohnen.