Dr. Joachim Gulich LL.M.
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Ein Fall aus dem Leben: Der Auftragnehmer kündigt nach vorangegangenen Auseinandersetzungen den Bauvertrag wegen angeblichen Zahlungsverzuges des öffentlichen Auftraggebers. Der Auftraggeber kontert mit einer Auftragsentziehung aus wichtigem Grund und schreibt die Leistung erneut im Offenen Verfahren europaweit aus. Er schließt den (gekündigten) Auftragnehmer in diesem neuen Vergabeverfahren wegen Unzuverlässigkeit aus.
Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.07.2012 – Verg 27/12) bestätigt den Ausschluss. Ein öffentlicher Auftraggeber muss nur zuverlässige Bieter bei der Vergabe berücksichtigen. Das Merkmal der Zuverlässigkeit lässt sich nicht nur aufgrund einer bloßen Momentaufnahme in einer laufenden Ausschreibung zuverlässig beurteilen. Der Auftraggeber setzt sich sonst dem Vorwurf aus, einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt zu haben. Das frühere Vertragsverhalten des Unternehmers ist, gerade wenn ein identischer Auftrag vergeben werden soll, zu berücksichtigen. Dabei sind nicht nur auf der Hand liegende Vertragsverletzungen, sondern auch prägende Einzelsachverhalte für die Annahme, der Bewerber sei unzuverlässig und die reibungslose Durchführung des Auftrages deshalb nicht zu erwarten, ausreichend.
Für Unternehmer stellt sich angesichts dieser relativ niedrigen Schwelle für einen Ausschluss die Frage, wann sie wieder an Ausschreibungen teilnehmen können. Eine kon-krete „Wohlverhaltensfrist“ wird nicht zu definieren sein. Indiz wird die Rechtsprechung zu Vergabesperren sein. Danach bedarf eine über den Zeitraum von sechs Monaten hinausgehende Vergabesperre einer eingehenden Prüfung und Begründung (Kammergericht IBR 2012, 345 und IBR 2011, 712).