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GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
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Vergaberecht ist kein Vertragsrecht!

Vergaberecht - 02.08.2017

Das Vergaberecht verlangt, dass der öffentliche Auftraggeber die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung vollständig und erschöpfend zu beschreiben habe. Der Bieter und zukünftige Auftragnehmer soll sicher kalkulieren können.

Auftraggeber tendieren dazu, unter Missachtung dieses Grundsatzes zur Vereinfachung und Risikoabwälzung bestimmte Positionen (z.B. Erdbau oder Wasserhaltung) pauschal auszuschreiben. Rügt der Bieter in einem laufenden Vergabeverfahren diese Handhabung, kann der Auftraggeber verpflichtet sein, das Leistungsverzeichnis der Vergabeunterlagen zu ändern.

Welches Nachtragspotenzial bleibt dem Bieter, sofern er nicht vor Vergabe rügt, sondern wie angefragt anbietet („Wasserhaltung, 1 Stck. pauschal“) und dann den Auftrag erhält? Gilt dann automatisch eine Abrechnungsart / Vergütung als vereinbart, die vereinbart worden wäre, wenn der Auftraggeber vergaberechtsgemäß ausgeschrieben hätte?

Der Bundesgerichtshof hat diesem Hilferuf eines Auftragnehmers eine Absage erteilt (BGH- Urteil vom 01.06.2017 - VII ZR 49/16). Bietet der Auftragnehmer eine „unkalkulierbare“ Leistung an, dann hat er ja (irgendwie) kalkuliert. Er muss sich regelmäßig daran festhalten lassen. Vergaberecht endet mit dem Vertragsschluss. Anders kann es ausnahmsweise aussehen, wenn im Rahmen der Ausführung völlig ungewöhnliche und von keiner Seite zu erwartende Änderungs- oder Zusatzleistungen erforderlich werden. Dann muss sich der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Vertragsauslegung daran festhalten lassen, dass er dem Auftragnehmer (vergaberechtsgemäß) kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen wollte.

Im Zweifel sollte deshalb jeder Bieter bei unsicheren, kaum zu kalkulierenden Positionen in Vergabeunterlagen der öffentlichen Hand immer vor Angebotsabgabe rügen – mit Zuschlag ist der Zug zur Nachbesserung abgefahren.