Dr. Joachim Gulich LL.M.
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(EuGH, Urt. v. 21.12.2023 – C-66/22 – „Futrifer Industrias“)
Öffentliche Auftraggeber müssen nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob sie einen Bewerber oder Bieter wegen Vorliegens eines fakultativen Ausschlussgrundes von einem Vergabeverfahren ausschließen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet die Auftraggeber, eine konkrete und auf den Einzelfall bezogene Beurteilung der Verhaltensweise des Bewerbers oder Bieters auf Grundlage aller relevanten Umstände zu treffen.
So weit – so gut. Aktuell geht der Europäische Gerichtshof noch einen Schritt weiter: Nun müssen Auftraggeber spiegelbildlich die Entscheidung begründen, warum sie von einem Ausschluss absehen, obwohl ein Bewerber oder Bieter den Tatbestand eines fakultativen Ausschlussgrunds erfüllt (z. B. weil der Ausschluss unverhältnismäßig wäre). Die Begründung ist den übrigen am Verfahren beteiligten Bewerbern und Bietern mitzuteilen, damit diese gegebenenfalls gegen die Entscheidung vorgehen können.
Für die Praxis wird daraus der Zwang resultieren, dass Auftraggeber ihre Begründung in das Vorabinformationsschreiben nach § 134 Abs. 1 GWB aufnehmen müssen. Eine Herausgabe der Information erst auf Anfrage des Bewerbers oder Bieters gemäß § 62 Abs. 2 VgV nach Zuschlagserteilung würde nicht ausreichen, um die Möglichkeit von Primärrechtsschutz zu gewährleisten.