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GulichDr. Joachim Gulich LL.M.
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Vergaberecht: Unvollständigkeit von Angeboten führt nicht immer zum Ausschluss

News - 03.09.2005

Ein Bieter ist nur „im Rahmen des Zumutbaren“ zur vollständigen Abgabe in den Verdingungsunterlagen geforderter Erklärungen verpflichtet. Das hat das Bayerische Obers-te Landesgericht mit Beschluss vom 15.09.2004 (AZ: Verg 26/03) bestätigt.

Die Vergabestelle hatte für einen Schulneubau im Leistungsverzeichnis ein bestimmtes Dachabdichtungssystem als Leitfabrikat zugrunde gelegt. Systeme anderer Hersteller

sollten nur als komplettes System zulässig sein, wenn mit Angebotsabgabe die Gleichwertigkeit nachgewiesen wurde. Für diesen Nachweis verlangte die Vergabestelle 10 verschiedene Nachweise bzw. Prüfzeugnisse. Die Antragstellerin rügte mit Angebotsabgabe, dass die Vergabestelle irrelevante Prüfzeugnisse verlangte. Sie bot ein Alternativsystem an und legte 3 Prüfzeugnisse vor.

Das Gericht entschied, dass der Sondervorschlag der Antragstellerin zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen war. Die Vergabestelle hatte einerseits gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung verstoßen. Die Angabe eines bestimmten Produktes zur Kennzeichnung der geforderten Leistung (Leitfabrikat) war nicht erforderlich. Der standardmäßige Zusatz „oder gleichwertiger Art“ heilt diesen Fehler nicht.

Darüber hinaus hatte die Vergabestelle ihren Spielraum bei der Anforderung von Nach-weisen zum Beleg der Gleichwertigkeit eines Sondervorschlages überschritten. Die An-forderung muss sich im Rahmen des Zumutbaren halten. 10 Nachweise sind in jedem Falle zu viel.

Das Gericht verwirft damit die gängige Praxis vieler Vergabestellen, geforderte Lösungen durch ein konkretes Fabrikat zu beschreiben und durch den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ zu kaschieren. Sofern Bieter vor Angebotsabgabe diese Handhabung rügen, droht nach dieser Rechtsprechung die Aufhebung des Verfahrens, weil der Fehler nach Angebotsabgabe nicht mehr heilbar ist.

Zugleich setzt das Gericht dem ausufernden Verlangen von Nachweisen bei Sondervorschlägen Grenzen. Es stärkt damit die Chancen leistungsfähiger, kreativer Unternehmer.