Dr. Joachim Gulich LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für
Vergaberecht
Fachanwalt für
Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für
Steuerrecht
Telefon: +49 (0) 531 28 20-605
Telefax: +49 (0) 531 28 20-695
gulichappelhagen.de
EuGH, Urteil vom 15.09.2022 – C – 669/20 „Veridos“
Die Vergabekammer des Bundes hatte mit Beschluss vom 15.11.2021 (VK 1-112/21) klargestellt, dass öffentliche Auftraggeber verpflichtet sind, die Preisbildung eines Angebotes zu prüfen, sofern der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mehr als 20 % beträgt.
Sachgerechte Aufklärung muss alle preisrelevanten inhaltlichen Aspekte des Angebots einbeziehen. Sie erfordert eine konkrete Auseinandersetzung mit allen Angaben des Bieters in den von ihm abzufordernden Unterlagen über die Preisermittlung.
Der EuGH hat diesen über den bloßen Vergleich von Angebotspreisen hinausgehenden breiteren Ansatz mit Urteil vom 15.09.2022 – C – 669/20 „Veridos“ bestätigt. Zugleich hat er klargestellt, dass ein Vergleich der Angebotspreise nicht das einzige Kriterium zum Erkennen zu überprüfender Angebote ist. Das Vergaberecht kennt keine „harte“ Schwelle, deren Überschreitung erst die Aufklärungspflicht des Auftraggebers auslöst.
Die in der deutschen Vergaberechtsprechung anerkannte 20 %-Ausreißer-Grenze gibt Auftraggebern eine erste Orientierung. Die Auftraggeber müssen und dürfen aber auch jenseits von prozentualen Abstandsregelungen alle Umstände des Einzelfalls prüfen. Erscheint der Vergabestelle ein Angebot aus anderen Gründen als dem Preisabstand als ungewöhnlich niedrig, hat sie Aufklärung von dem betroffenen Bieter zu verlangen.
Für die Praxis erweitern sich Dokumentationspflichten einerseits, Handlungsspielräume andererseits: