Das zum 01.01.2018 gesetzlich geregelte außerordentliche Kündigungsrecht nach der Zielfindungsphase im Architekten- und Ingenieurvertrag ist in der Praxis weitgehend unbekannt. Welche (schmerzhaften) Folgen hat der unterbliebene förmliche Abschluss dieser Phase?
Für Architekten- und Ingenieurverträge, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden, ist es zwingend, die sogenannte Zielfindungsphase durchzuführen, wenn bei Abschluss des Vertrages – wie in der Regel – die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind. Zum Abschluss dieser Phase hat der Planer eine Planungsgrundlage mit diesen Zielen zusammenzustellen und diese mit einer Kosteneinschätzung dem Bauherrn zur Zustimmung zu übergeben. Nach Vorlage dieser Planungsgrundlage mit Kosteneinschätzung hat der Bauherr ein Sonderkündigungsrecht, welches nicht weiter zu begründen ist. Dieses Sonderkündigungsrecht setzt also nicht voraus, dass die Planungsgrundlage mangelhaft ist. Übt der Bauherr das Sonderkündigungsrecht aus, hat der Planer nur Anspruch auf angemessene Vergütung für die bis dahin erbrachten Leistungen. Diese Vergütung richtet sich grundsätzlich nicht nach der HOAI. In einem jüngst vom BGH entschiedenen Fall, hatte ein Fachplaner den Auftrag für die Leistungsphasen 1 – 5 erhalten. Er übersandte dem Bauherrn im Rahmen der Leistungsphase 1 einige Pläne, denen der Bauherr auch zustimmte. Im Rahmen der dann fortgesetzten Bearbeitung von immerhin 3 Monaten, in denen der Planer die Leistungsphase 2 vollständig erbracht hatte, entstand Streit zwischen den Parteien. Der Bauherr kündigte den Vertrag. Mangels Vorlage einer Planungsgrundlage mit Kosteneinschätzung verneinte aber das Gericht das Sonderkündigungsrecht aus § 650r BGB, sodass die Kündigung als frei bewertet wurde. Dieser "Erfolg "stellte sich für den Fachplaner jedoch als Pyrrhussieg heraus: Er bekam nicht das Honorar für die erbrachte Leistungsphase und auch nicht das Honorar für die noch nicht erbrachten Leistungsphasen zugesprochen. Dies wäre eigentlich nach der freien Kündigung zu erwarten gewesen. Der BGH stellte vielmehr klar, dass dem Planer trotz der freien Kündigung nur das Honorar zusteht, welches er erhalten hätte, wenn er die Zielfindungsphase mit Übersendung der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung förmlich abgeschlossen hätte und der Bauherr sein Sonderkündigungsrecht ausgeübt hätte. Die Entscheidung zeigt, wie wichtig diese Zäsur im Architekten- und Ingenieurvertrag ist. Der Planer kann nicht darauf hoffen, dass die Zufriedenheit des Bauherrn mit einer späteren Planungsleistung dem Abschluss der Zielfindungsphase entbehrlich macht. Ohne den förmlichen Abschluss läuft jeder Planer Gefahr, für vertragsgerechte Planungsleistungen keine Vergütung zu erhalten, wenn der Bauherr, sei es auch aus anderen Gründen, später kündigt.